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Einmal Tod und zurück, bitte!

Am wolkenverhangenen Abendhimmel bildete sich ein Regentropfen und begann sogleich mit unzähligen Kollegen seine erste und letzte Reise. Was der Tropfen nicht wusste: er würde nie den Erdboden erreichen. Seine Route änderte sich ständig, denn der Wind peitschte ihn in alle Richtungen. Im großen und ganzen aber näherte sich der Wassertropfen einem Wald. Jener Wald rückte immer näher als ein erneuter Windstoß ihn (den Tropfen) zu einem Kurswechsel veranlasste. Der Boden glitt heran; der Tropfen flog auf einen Weg am Waldrand zu. Eine Gestalt wurde sichtbar, die die Straße entlangwanderte. Auf eben jene Person stürzte der Regentropfen zu und klatschte auf dessen Kapuze, die über den Kopf gezogen war.
Der Mann war auf dem Weg von einer Ortschaft zur anderen und hieß..., nun....sagen wir....Karl-Heinz. Nein, das klingt bescheuert. Er soll.....Gustav heißen.
Das Interessante an Gustav war, dass seine letzte Stunde vor etwa 56 Minuten geschlagen hatte. Denn etwa vier Minuten entfernt lauerten Straßenräuber im Waldrand. (Nebenbei gesagt zwei Trottel, wenn sie glauben um die Tageszeit bei dem Wetter große Beute zu machen.) Das wusste Gustav natürlich nicht, wohl aber eine dritte Gestalt, denn es war sein Job, sowas zu wissen. Man kennt ihn gemeinhin unter dem Namen Freund Hein, Schnitter, Kapuzenmann, Sensenmann und als einen der apokalyptischen Reiter. Wer jetzt noch nicht weiß, wer gemeint ist, sollte jene Wörter im Lexikon nachschlagen und etwas für die Allgemeinbildung tun.
Die Straße stieg an, und Gustav hatte Mühe nicht auf dem Schlamm auszurutschen. Schließlich erreichte er die Hügelkuppe und blickte in ein Tal. Weit entfernt konnte er die Lichter seines Zielortes ausmachen, nicht jedoch die zwei Gestalten, die nur ein paar Schritte entfernt hinterm Busch lagen, ganz zu schweigen von der dritten Gestalt, die stumm auf der Straße stand und wartete. Gustav begann den Abstieg, doch er hatte das Beginnen des Abstiegs noch nicht vollständig beendet, als die zwei Raubmörder auf ihn losstürzten und zu Boden rissen. Der Dritte näherte sich dem Gerangel und nahm sein Werkzeug in beide Hände. "Geld oder Leben?", rief der eine. "Leben!", antwortete Gustav. Das war Pech, denn der Mörder hatte gefragt, ob er sein Geld oder sein Leben hergeben will und nicht, ob er sein Geld oder sein Leben behalten möchte, wie Gustav vermutete. Klingt kompliziert, ist aber unwichtig.
Das Resultat hat den Leser zu interessieren, und das sieht sehr verdächtig nach einer roten Pfütze aus.
Gustav stand auf und sah sich etwas irritiert um, während sich die zwei Diebe mit der Beute aus dem Staub machten. Er erkannte den dritten und fragte sicherheitshalber: "Bin ich tot?" Der Schwarzgekleidete, dessen Gesicht nicht zu sehen war, antwortete mit einer wohldosierten Prise Zynismus: IN DER TAT. ODER WAS GLAUBST DU, WESHALB DU NACKT VOR MIR STEHST? Gustav sah an sich herab und versuchte verzweifelt, so etwas wie Scham oder Unbehagen sowie Entsetzen zu produzieren, doch irgendwie ging das nicht so recht. Es war ihm auf seltsame Weise gleichgültig. ABER DAS INTERESSIERT MICH NICHT. UND AUCH DIE GÖTTER NICHT. HÖCHSTENS DEN HERMES.
"Warum den?"
ICH GLAUB, DER IST WARM!
"Wieso bist du nicht nackt?", fragte er den Tod.
WEIL MIR DAS PEINLICH WÄRE.
"Ich werde ja gar nicht nass", stellte der Tote nach einer kurzen Pause fest.
ACH WAS?!? Der Taufpate legte seine Sense ins Gras und wühlte wild in seinen vielen Taschen. Dann zog er einen Notizblock hervor. SO! JETZT WIRD ABGERECHNET, meinte er und klappte den Block auf.
RECHNUNGEN,...MAHNUNGEN....AH! DA IST ES! NAME?
"Gustav Schloch." Tod blätterte weiter.
SCHL... SCHLO... MIT CH AM ENDE?
"Ja, äh. Was wird abgerechnet, äh?
DEINE KARMAPUNKTE. AH, HIER: GUSTAV SCHLOCH, WOHNHAFT: LÜNGEN, IM BRUNNENWEG 5. IST DAS RICHTIG?
"Ja schon. Aber was für Karmapunkte?"
Freund Hein runzelte die Stirn. Wobei diese Handlung eher metaphorisch zu sehen ist. Eigentlich spielte sich folgendes ab: Das imaginäre Gehirn schickte Boten zur Stirn, die die dortigen Muskeln zur entsprechenden Aktion überreden sollten. Die Gesandten mussten aber unverzüglich zurückkehren, denn der Adressat war schon seit längerem unbekannt verzogen. Bei ihrer Rückkehr stellten die Legaten aber fest, dass sie nicht einmal wussten, wer sie geschickt hat, denn da war nichts wo was sein sollte. Daher beschlossen sie in Rente zu gehen.
MANN! STELL DICH NICHT SO AN, herrschte Tod ihn an. DIE PUNKTE, DIE DU IM LAUFE DEINES LEBENS FÜR GUTE UND SCHLECHTE TATEN GESAMMELT HAST.
"Ist ja klasse! Und was passiert, wenn ich ganz viele Punkte gesammelt habe?"
DANN GEHST DU AUF IM UNIVERSUM, WIRST EINS MIT IHM.
Gustavs Seele dachte darüber nach. "Und wenn ich wenig Punkte gesammelt habe?"
NUN, IN DIESEM FALL WIRD DICH DAS GÖTTERGERICHT ZUR WIEDERGEBURT VERURTEILEN. UND JETZT SEI RUHIG! ICH MUSS RECHNEN.
Gustav setzte sich neben ihn ins Gras und hörte zu, was Tod rechnete.
MAL SEHEN: MEHRFACHE DIEBSTÄHLE: -20 PUNKTE; EINIGE KÖRPERVERLETZUNGEN: -34 PUNKTE.
"Oh, oh! Mir schwant Übles", dachte Gustav.
KANN ICH VERSTEHEN. ALTER DAME ÜBER DIE STRAßE GEHOLFEN: 3 PUNKTE.
"Juchuu!"
VOM PFERD ZERTRAMPELTE ALTE DAME BEIM ÜBERQUEREN DER STRAßE: -56 PUNKTE.
"Das war nicht meine Schuld. Sie hat ewig gebraucht. Die war so langsam.
INTERESSIERT MICH NICHT, entgegnete Tod. Anschließend setzte er seine Liste fort: GELD, DAS BETTLERN GESCHENKT WURDE (24 GOLDMÜNZEN): 16 PUNKTE.
"Wie ist denn der aktuelle Umrechnungskurs?", erkundete sich Gustav.
DER SCHWANKT UNREGELMÄßIG. ABER WIR HABEN DIE REZESSION DER LETZTEN JAHRE ÜBERWUNDEN. DIE KARMAPUNKTE WERDEN WIEDER STÄRKER. WAS WAR DAS FRÜHER EIN CHAOS AN DER BÖRSE, sinnierte der Schnitter. Gustav verstand kein Wort. Unbeirrt ging der Schwarze die Liste weiter:
NIEDERGESCHRIEBENE PERVERSE GEDANKEN: -12 PUNKTE. ACH JA! DEN DREIFACHEN MORD DÜRFEN WIR NICHT VERGESSEN: -215 PUNKTE.
Gustav sprang empört auf, doch Gevatter Tod beschwichtigte ihn. DABEI KOMMT DIR ZUGUTE, DASS DER MORD SEHR GUT GEPLANT UND DURCHGEFÜHRT WURDE: 8 PUNKTE. SO! DAS MACHT ZUSAMMEN... ÄH.... ÄHEM.....-310 PUNKTE.
"Reicht das, um eins mit dem Universum zu werden?", fragte Gustav skeptisch.
NEIN, antwortete der Sensenmann. DAZU BRAUCHST DU +500 PUNKTE.
"Oh!"
HIER! UNTERSCHREIB DEN WISCH! Er drückte dem Sünder den Block und einen Stift in die Hand.
"Und wenn ich mich weigere?"
DANN GIBT DAS -500 PUNKTE DAZU UND ICH UNTERSCHREIBE FÜR DICH.

Wenig später stand Gustav vor dem Göttergericht, das hier nicht näher beschrieben werden soll, da man sich ja kein Bild von Gott machen darf, und empfing sein Urteil.

Kurz darauf erblickte Saddam Hussein das Licht der Welt.