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ERNIEDRIGENDE VERDRU
Mein Name ist Peter Amalgam. Diverse Komplikationen nötigten mich dazu diesen in der
Tat seltsam anmutenden Namen anzunehmen. Fürwahr, ich sage euch, möget ihr nie, die ihr
das lest, in jene Komplikationen geraten, die mir widerfuhren.
Zu jener Zeit wohnte ich in Speyer. Eben erwähnter Ort ist gefüllt von einer Vielzahl
wuchernder Geschwulste. "Das Gnu ist tot" stand auf einer der mit diversen Beschriftungen
gespickten Markisen der diversen Speyerer Buchhandlungen. "Buchhandlung"; welch ein
seltsames Wort. Jedoch nimmt sich die Seltsamkeit des Wortes "Buchhandlung" im Vergleich
mit der Seltsamkeit der Vielzahl wuchernder Geschwulste geradezu mikroskopisch gering aus.
Sollten oben erwähnte wuchernde Geschwulste sich entzünden, könnte daraus sogar Eiter werden,
welcher die Merkwürdigkeit jener Objekte geradezu ins Astronomische katapultieren würde. Ich
begab mich daraufhin in ärztliche Behandlung. Das heißt, ich ließ die Buchhandlung, die ich
präferierte, links (oder besser rechts) liegen und schlenderte in die altehrwürdigen Praxen
des Doktor Haeno. Für eitrige Angelegenheiten genau die richtige Adresse. Auf dem Weg zu
jenem Medicus fiel mir aber ein, dass meine Wenigkeit nicht unter eiternden oder wuchernden
Geschwulsten litt, und so blieb ich stehen. Ich rief meinen Freund und geschätzten Kollegen
Dieter Donau an um mich mit ihm in einem Café zu treffen. Während ich im Café noch auf ihn
wartete, bestellte ich zwei Donauwellen, welche ich genüsslich zu verspeisen begann.
Verdrießlich eintretend raunte Dieter recht unwirsch: "Ich habe vorhin mit meinem Vater
gesprochen. Er besorgt das Geld. Du bist aber auch selbst Schuld, dass du dich mit der
SS eingelassen hast. Guten Appetit! Hättest du dich mit deinem "erniedrigenden Verdruss"
in der Öffentlichkeit zurückgehalten, müsste dir mein Vater jetzt kein Geld pumpen. Mmh,
Gnudung! Du weißt doch genau, dass du Wörter mit Doppel-S nicht laut aussprechen darfst,
denn die SS hat das Copyright auf das Doppel-S." Im Übrigen mussten wir den letzten Halbsatz
aus diversen triftigen Gründen, deren wichtigste die himmelschreiende Naivität und
Primitivität sind, streichen. "Grazie", sprach ich, meine Donauwelle kauend. "Serbien.
Nein aber mal im Ernst: ich muss. Servus!"
Ich beschloss einen Ausflug zu machen. Das Wetter war prima. Der Weg führte mich in ein
Tal, welches bekannt ist unter dem Namen Experimen-Tal und in der Nähe des bekannten
Prena-Tals liegt. Obgleich mich ein Stein drückte, wanderte ich sowohl munter als auch
frohen Mutes weiter jedweden sich mir bietenden Ausblick genießend. Ein an eine alte Birke,
gehefteter Zettel fing meinen Blick auf abstruse Weise. Da es gestern geregnet hatte, spiegelte,
sich der Blätterwald in einer nahe gelegenen Pfütze, was mich an ein bekanntes Bild von,
dem bekannten Künstler M.C. Escher, welchen ich sehr schätze, erinnerte. Ich wurde Zeuge,
eines nahezu unglaublichen Zufalls, denn als ich mir den oben genannten Zettel näher ansah,,
erkannte ich, dass es sich um ein daktyloskopisch Gutachten der Gerichtskammer zu Speyer,
handelte. Eben jener Zufall verleitete mich zu einer abstrusen Gedankenkette, welche ich
aber aufgrund ihrer Absurdität wieder verwarf. Aus diesem Gutachten ging nämlich hervor
(wer nämlich mit "h" schreibt ist dämlich), dass die am Tatort gefundenen Fingerabdrücke
identisch seien mit denen des Verdächtigen M.C. Escher! Heißen Fußes trat ich den Rückweg
an. Jener Marsch gestaltete sich schwieriger als ursprünglich der Erwartungswert E(x) oder
auch besser bekannt als µ vorhersah. Ein Haufen feuchter Blätter verleitete mich zu einer
Kollision mit dem Boden. Immerhin gelang es mir, durch ein gewagtes Ausweichmanöver die
Bekanntschaft mit einem friedlich am Boden meditierenden Stein zu vermeiden. Ich versenkte
mich neben ihm. Doch mehr als fünf Minuten der Ruhe konnte ich nicht entbehren, denn mein
Gemüt drängte es impulsiv, dem kongenialen Zufall, dessen Zeuge ich wurde, auf die Schliche
zu kommen. Das Auto war nicht weit und es verhalf mir in enormer Geschwindigkeit nach Speyer.
Mein Vehikel bretterte zum Gerichtshof. Ich durchschritt die altehrwürdigen Hallen. Den
an einem Schreibtisch aus blütenreiner Korkeiche, dessen Oberfläche auch ein ansehnlicher
Tacker zierte, residierender Polizist sprach ich aufgrund des mir vorliegenden daktyloskopischen
Gutachtens an. Unwirsch blickte er auf. Unwirsch legte ich ihm mein Anliegen zu Gute.
Woraufhin sich seine Unwirschheit legte. "Hätten Sie die Güte, mir den dieser Wisch hier
voraussetzenden Fall, darzulegen?" Der Gutachter nahm seine Lesebrille von der Nase um
sich hernach nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger der Linken über die Augen zu fahren,
in der Rechten die Lesebrille haltend. Daraufhin sah er mich mit einem Hauch von Verzweiflung an,
und ich erkannte, dass er nur der Hausmeister war. "Tschuldigung, hätten Sie vielleicht
die Güte, den für den daktyloskopischen Bereich zuständigen Gutachter zu holen respektive
mir den Weg zu ihm zu weisen?" Die Verzweiflung in seinen Augen wuchs, denn er schien mit
dem Wort "respektive" nicht viel anfangen zu können. "Beziehungsweise beziehungsweise." Einen
weiteren Augenblick blickte er in die imaginäre Leere (natürlich nur imaginär, denn wäre
sie real, würde dies eine entscheidende Wendung auf die wiederum imaginäre Handlung nehmen),
doch dann ging ihm ein Lichtlein auf und er brachte mich zum Büro des leitenden Chefs.
Ich klopfte an die Tür. Die Tür gab nach und einen Blick in den darauffolgenden Raum frei.
"Guten Tag." Drinnen saß ein Mensch, der mich nicht leiden konnte und von daher bestimmt
ein Staatsanwalt war, denn er sah mich relativ vernichtend an. Ich begab mich in eine
gebückte lauernde Haltung unschlüssig ob des Prozentsatzes des Sinngehaltes meiner
folgenden Aussage. Doch bevor sich mein Gehirn zu einer Tendenz durchringen konnte,
bevor es eine Präferenz festlegte, verfrachtete mich mein Gesprächspartner in spe
aufgrund extremster Ruhestörung auf direktem Weg in einen einer Gefängniszelle nicht
unähnlichen Raum, sodass mein dringendstes Problem (kurz nach dem unmittelbar
bevorstehenden Stuhlgang) die Enge dieses Kerkers darstellte. Verzweiflung: machte sich
breit. Ich ließ meine wutentbrannte Faust Bekanntschaft schließen mit der nicht
unerheblich stabilen Eisentür. "Auaahh", entfuhr es meinem Sprechorgan. "Verdammt!"
Da stellte ich fest, dass sich in meiner Zelle ein Mitbewohner aufhielt, welcher mir
mitteilte, dass sein Name Albert sei. "Guten Tag!" Ich wollte zu einem längeren Referat
über traumatische Erlebnisse in der griechischen Antike bezüglich Amphitheater ansetzen,
doch ich stellte nüchtern fest, dass der Andere unter einem Dolch im Rücken litt sowie
unter einem am Boden liegenden Auge. "Tschuldigung." Mein Gegenüber brach ziemlich tot
zusammen und ich übergab mich auf seinen Kadaver. "Baahh!! Würg!" Ich beschloss die Nerven
zu bewahren. Plötzlich stellte ich fest, dass die Zellentür zwar stabil aber nicht
abgeschlossen war. Einen verzweifelten Schreikrampf unterdrückend taumelte ich die schier
endlos anmutenden Gänge des morbide anmutenden Traktes dieses verwirrenden Gebäudes
entlang, um schließlich völlig erschöpft einen Frischluftzugang zu erreichen. Jener Zugang
erschien in Form eines Fensters. Ich sprang hinaus und stellte fest, dass sich der Tag
bereits dem Ende zuneigte. Es wurde Abend, und ich stand auf dem im sechsten Stock des
Gebäudes befindlichen Fensterbrett. Ich handelte ohne zu zögern. Ohne Umschweife begab
ich mich ans Werk. Es wäre in der Tat gelogen, wenn jemand eine Verzögerung meinerseits
beklagen würde. Willenlos strebte ich mein Ziel an. Keinen Augenblick zweifelte ich an
meinen Fähigkeiten. Und meine Entscheidung war eindeutig. Ich konnte nicht mehr zurück.
Daher fügte ich mich meinem Schicksal. Da ich nun genügend frische Luft geschnappt hatte,
betrat ich das verwirrende Gebäude erneut, um dort meiner Wege zu gehen. Doch die Wege des
Herrn sind untergründig. Und ein Bild sagt andererseits mehr als tausend Worte. Nicht außer
Acht zu lassen ist auch, dass dieser Trakt mir bekannt war wie meine Westentasche. Außerdem
dünkt mich, dass jene Alte dort iwwe im Fieber spricht. Also ließ ich die Katze aus dem Sack.
Denn daran führte kein Weg des Herrn vorbei. Doch das Schicksal verpasste mir einen
metaphorischen Kinnhaken. Womit wir am Kern des Pudels angekommen wären. Als ich der
Alten iwwe den Mund verbieten wollte, stürzte ich in einen tiefen Schacht. Was mich aber
nicht daran hindern sollte meine poetischen Ergüsse schwarz auf weiß nach Hause zu tragen.
Als da wäre: "Das Gnu vom Max ist tot und der Hai tut arg arm." Da der Boden jenes schier
endlos scheinenden Schachtes langsam aber sicher und bedrohlich zu mir hinaufstieg,
beschloss ich zu handeln. Um den Zustand des um mich befindlichen Schachtes wissend bemühte
ich mich eben jener Röhre keinen Schaden zuführen zu müssen. Ein sich in oben erwähnter
Röhre befindlicher Haken nahm sich meiner an. Auf weltpolitischer Ebene hatte dieser Haken
nie große Beachtung genossen und seine Bedeutung im agrarchemischen Bereich ließ ebenfalls
stark zu wünschen übrig. Der Haken war, dass sich auf eben jenem oben erwähnten Haken bereits
eine nicht unerwähnenswerte Menge Rost angesammelt hatte, welche sich nun anschickte, meine
Hand zu liebkosen. Aus einem mir unerfindlichen Grund musste ich in diesem Augenblick an den
Privathelikopter eines finanziell beeinflussten sprich korrupten Kuraten denken. Wie aus
eiterem Himmel ging mir plötzlich auf, dass sich in Kniehöhe ein weiterer Haken befand,
woraus ich die mögliche Existenz einer ganzen Leiter ableitete. Mit eisernem Willen vergrub
ich meine Hände in den Rost der Leiter und gab meiner Armmuskulatur dringenden Befehl,
sofort jedwede erforderliche Maßnahmen einzuleiten, die zum Unklammern der Sprossen führen
sollten. Als ich, dem Wahnsinn nahe, oben aus dem Schacht stieg, die Leiter hatte trotz
des Rostes erstaunlicher- und unerwarteter-, da ich mein Glück zu eben jener Zeit kannte,
-weise nicht nachgegeben, hatte ich nur einen aber "neverthetrotzdem" feinen Gedanken: "wos
zu essen". Da mein Gefühl im Magen, oder auch Pansen, oft definiert als Hunger, nahezu
pangalaktische Ausmaße annahm, verließ ich die gegenwärtigen Gefilde, auch als Gefängnistrakt
bezeichnet, und begab mich auf zahlreichen Schleichwegen mehr oder minder zielstrebig zu
einem Schnellrestaurant, wo aber meine Wenigkeit beinahe Opfer eines gemeingefährlichen
Attentats wurde.
Schweißgebadet wachte ich an diesem Morgen auf und beschloss, am heutigen Tag noch
einen Arzt aufzusuchen, denn die Quantität der Alpträume war in letzter Zeit beängstigend
gewachsen. Dieser Seelendoktor schien sich nicht wirklich in meine Situation hineinversetzen
zu können, denn er verschrieb mir zwei Tabletten Aspirin. Eine Odyssee begann. Ich bekam die
Adresse eines Seelenklempners, dessen Name in aller Munde war: Dr. Zahn. Obgleich er etwas
tiefer in die Materie meines immateriellen Geistes vordrang, stieß auch er nicht bis zum Kern des Pudels
vor. Unter der Klingel seiner Praxis sah ich, nachdem ich schnaubend vor Wut hinausgerannt war, ein
weiteres Namensschild, welches den Psychotherapeuten Dr. Ephraim Humbug anprangerte. Ich war mir nicht
zu schade auch diesem Quacksalber noch einen Besuch abzustatten. Als ich an der Reihe war, betrat ich
sein Audienzzimmer, und Dr. Humbug, welcher geprägt ist durch seine hektische Natur, warf mich in seine
Therapieliege, während er selbst wie wild auf Erdnüssen herumkaute. Schnaufend und verklemmt auflachend
ließ er sich in seinen Sessel nieder. Während ich auf der Liege liegend meinen Traum rezitierte, warf
Humbug die halbvolle Tüte Erdnüsse an die Fensterscheibe und zog eine Packung Studentenfutter aus der
Schublade, die er wie wahnsinnig in sich reinstopfte. Die Sitzungen waren zwar höchst amüsant, jedoch
wenig hilfreich. Denn Dr. Humbug grunzte ständig nur so Sachen wie "Schlawiner", "Lümmel", "Lump" oder
"Schlingel", während er Mandoline auf einem Hydranten spielte, der im Therapiezimmer stand. Das Gebaren
des Dr. Humbug hatte zwar nicht den Effekt, absonderliche Träume meinerseits zu verhindern, jedoch
verlagerte sich das Sujet der Träume, in welchen nun Dr. Humbugs absonderliches und ebenso abnormales
Verhalten verarbeitet werden musste. Schließlich aber begann mich sein Verhalten auf die Dauer zu
nerven, denn ich hatte das unbestimmte Gefühl, als würde er mir nicht wirklich zuhören.
Eines Tages, als ich wieder bei ihm im Therapiezimmer saß, gab er mir wieder eine dieser nichtssagenden,
auf seine vorangegangene Unachtsamkeit hindeutenden Antworten. "Das ist ganz typisch für ihren
Charakter; meine Oma mütterlicherseits, die übrigens hervorragend kochen konnte, außer Rindsrouladen,
die versalzte sie immer, oder sie ließ sie zu lange im Kochtopf, mein Opa konnte das viel besser, meine
Oma jedenfalls erzählte mir oft von verrückten Träumen, und so hab ich mich auch entschieden,
Psychologie zu studieren." Ich spürte darauf einen starken Drang, dem Buschmesser in meiner Tasche einen
Besuch abzustatten und mich mit ihm über ein weiteres Vorgehen zu beratschlagen, zusätzlich fragte ich
Dr. Humbug, ob er dieses zwanghafte Verhalten in irgendeiner Weise bedenklich fände. "Nein, das ist
nichts Neues für mich; viele von meinen Patienten verspüren aus einem mir bisher unerfindlichen Grund,
den es noch rauszufinden gilt, mit einer Waffe rumhantieren zu wollen, wovon ich sie jedoch jedes Mal
abbringen kann." - "Wir werden alle sterben." - "Ja, dem kann ich nur bedingungslos zustimmen, aber
dabei fällt mir meine Mutter ein: mit ihr hab ich immer Kleider eingekauft, vorwiegend Hemden mit
Kragen, weil die ziemlich schick sind, und am liebsten die von Lacoste, weil die so ein lustiges kleines
Krokodil aufgestickt haben, und meiner Mutter gelang es übrigens, den Preis um 20 % runterzuhandeln,
dabei waren sie schon um 25 % reduziert, bei Kaufhof, glaub ich." Dass dieser eigentlich überaus kluge
Mann den Ernst der Lage absolut nicht zu begreifen schien oder einfach nicht begreifen wollte, fing an
eine wachsende Beunruhigung in mir hervorzurufen. Verschlimmert wurde die Situation noch dadurch, dass
er, nachdem er einen langen Strich auf ein Blatt Papier gemalt hatte, jenes anschließend zerrissen und
versucht hatte, die Schnipsel über drei Meter in den Papierkorb zu werfen (was jedoch nicht gelang),
plötzlich einen Staubsauger aus einem Schrank holte und begann, sein Therapiezimmer zu saugen.
"Offensichtlich reicht Ihre der Intelligenz eines gut gebackenen, knusprigen Brotlaibes nicht unähnliche
Geisteskraft nicht aus, um zu begreifen, dass ich zu allem fähig bin." Dr. Humbug reagierte nicht auf
meine gutgemeinten Warnungen, stattdessen stellte er nach etwa zehn Sekunden den Staubsauger ab, holte
Rosinen aus einer Schublade und steckte sich mehrere davon in sein Auge. Dieses Gottvertrauen, man
könnte, wenn man es unbedingt für nötig hielte oder nach Gottes Tod das Christentum an den Nagel gehängt
hätte, auch von Dummheit sprechen, machte mich depressiv und gefechtsuntauglich. "Ich kannte mal einen
Pfarrer, dessen Onkel war Tochter eines unbekannten Politikers, diesen Politiker traf ich mal auf einem
Fest, und da erzählte er mir, dass er ebenfalls das Verlangen hätte, sein Kind mit einer Axt
wegzuschlachten." - "Ach jaah!!!?" - "Ich hab Hunger, Sie auch?, wollen Sie auch ein Stück Brot von
vorgestern?" - "Ja sicher, eine Auffrischung meiner geistigen Fähigkeiten käme mir sehr gelegen." Er gab
mir ein in die Tage gekommenes Stück Brot (was hatte er noch alles in seinen Schubladen? Einen
Supermarkt?), woraufhin er seinen Tisch mit einem Pinsel rot anzumalen begann. "Mmh, schmeckt Ihnen das
Brot; hab ich an der Straße gekauft; 20 Cent; sau billig; oder, oder finden Sie das etwa zu teuer; ich
hab auch noch teureres; tschuldigung, mmh." Er warf den Pinsel auf den Teppich, trat darauf rum, während
er irgendwas von "Lump" und "Lümmel" brabbelte und zog ein langes Baguette aus der dem Leser nicht
unbekannten Schublade, woraufhin er unkontrolliert darauf herumzunagen begann. "Mmh, kennen Sie das
Brotmuseum in der Nähe von Göttingen in Niedersachsen, da war ich schon dreiundneunzisch,
siebenundneunzisch und neunundneunzisch, mmh." Er rannte in einem nicht exakt berechneten Kreis um mich
herum, fuchtelte mit dem Baguette und hielt einen Vortrag über die Essgewohnheiten seines Cousins 4.
Grades, der zur Zeit anscheinend wohnhaft in Flensburg war, einen guten Schulabschluss auf dem
Gymnasium, nein, Realschule hatte und dessen Hund immer bellt, wenn der Postbote kommt. Da mir die ganze
Geschichte nun langsam zu bunt respektive zu heiß wurde, trat ich den Therapeuten nicht aus den Augen
lassend den Weg zur Tür an. Er hielt mich noch kurz zurück und reichte mir eines seiner fünf Hawaii-
Hemden, die ebenfalls eine seiner Schubladen zierten und die er mal im Engelhorn mit 16 % Rabatt
erworben hatte, obwohl er damals noch nicht gewusst hatte, wozu er sie brauchen sollte, und
verabschiedete mich, woraufhin er die Tür zuschlug; zwei Sekunden später ertönte Walzermusik aus seiner
Praxis. Ich beschleunigte meinen Schritt und kam schließlich schweißgebadet zu Hause an; das Messer in
der Hand. Meinen primären Frust ließ ich an den Gardinen in der Küche aus. Der Anrufbeantworter hatte
eine Nachricht gespeichert. Es war Dr. Zahn: er riet mir, nicht zu einem gewissen Dr. Humbug zu gehen,
sondern lieber zu einem guten Freund, Dr. Mumpitz. An einem denkwürdigen Montag, den 12.12.00 suchte ich
eben jenen mir empfohlenen Seelenklempner auf. Nachdem ich eine Stunde in seinem Wartezimmer verweilte,
wurde ich in seine Praxis importiert. Das sadistische Verhalten des Dr. Mumpitz stach mir sofort ins
Auge. "Sind Sie Dr. Mumpitz?", fragte ich ihn unsicher. "Natürlich, was steht denn vorne an der Tür; Sie
können doch lesen, Sie Blödeimer." Seine äußere Erscheinung, sein outward appearance, sowie seine
geradezu überschwängliche Freundlichkeit, mit der er mich traktierte, weckte in mir das Gefühl einer
drohenden Apokalypse. "Wo brennt’s denn?" - "In der Weinbrennerei", antwortete ich, denn ich konnte mich
dieses Wortspiels nicht ganz erwehren, rief jedoch eine unwirsche Reaktion bei Mumpitz hervor, die sich
durch Aufschreien und darauffolgendes Boxen und Pieken kennzeichnete. Schnaufend ließ er sich in seinem
Stuhl nieder um hernach die Stirn zu runzeln. "Wo drückt denn der Schuh?" - "Ich träume schlecht." - "Na
und, ich auch, also wo hängt’s?" - "Ich erwähnte es bereits." - "Also gut, pflanzen Sie sich auf die
Liege und erzählen Sie schnell, was Sie erzählen wollen!" Ich erzählte ihm also jenen ominösen Traum.
Dr. Mumpitz zuckte mit keiner Wimper, und als ich geendet hatte, sprang er wutentbrannt auf und schrie
mich an: "Das nennen Sie einen Alptraum, ich glaub ich, ähähä, werd nicht wieder, das ist ja mehr als
lächerlich. Sie kompletter Blödeimer, verschwinden Sie aus meiner Praxis", rief er, während er mich aus
dem Zimmer boxte, schlug, drosch, zwickte, kniff, piekste, raufte, trat. Es begann sich ein gewisses
Wutpotenzial gegenüber Ärzten im Allgemeinen, was allerdings noch eine Altlast war, und Psychiatern im
Speziellen in mir aufzubauen. Zum Schluss wagte ich einen letzten verzweifelten Versuch bei einem
gewissen Dr. Rezrüw. Leider schlug auch dieser Versuch fehl, was meinen morbiden Geist dazu veranlasste,
Konsequenzen in Form einer Umwandlung des vorhandenen Wutpotenzials in einen wahrhaft teuflischen Plan
zu ziehen. Von welch bösem Geist musste ich geritten worden sein, um so etwas Unglaubliches auszuhecken;
Teufel, Luzifer, Satan, Malefiz, Beelzebub? Also ging ich zur Ausführung des Plans über, denn Probieren
geht bekanntlich über Studieren. Mir war sofort klar, dass der Hund in der Pfanne verrückt werden würde.
Nur unter Druck würde Großes entstehen. Der Kragen war geplatzt, der Bock war fett. Ich begab mich
erneut in jedwede zuvor aufgesuchte Praxis um allen Therapeuten zu ihrem vermeintlichen Erfolg zu
gratulieren und sie zu einer Feier einzuladen. Da würden ja die Hühner lachen, sollten sie mir nicht auf
den Leim gehen. Natürlich lachten die Hühner nicht. Natürlich gingen sie mir auf den Leim. Ich sperrte
sie bei mir im Keller ein. Dann beobachtete ich durch ein Loch in der Wand, was passieren würde. Mir
wurde ein nicht wenig amüsantes Schauspiel geboten. Dr. Humbug und Dr. Mumpitz konnten sich von Anfang
an nicht ausstehen, Dr. Rezrüw ging allen auf den Sack, weil er ein "begnadeter" Tänzer war, und Dr.
Zahn verabscheute alle Proleten im Keller. Offensichtlich standen die Herrschaften kurz davor, sich
gegenseitig zu zerfleischen, sodass ich meine neu erworbenen Buschmesser womöglich umsonst gekauft und
gewetzt hatte; welche Tragik. In der Tat kam es wie es kommen musste: Was ist der Mensch doch für ein
seltsames und widerliches, nicht zu vergessen abstoßendes Wesen. Nach etwa zwei Minuten drosch Mumpitz
auf Humbug ein, bis dieser blutend und schreiend am Boden lag, Dr. Zahn packte eine meiner teuren,
qualitativ hochwertigen Rohrzangen und haute Dr. Rezrüw, welcher gerade einen schnellen Walzer
vorführte, mit voller Wucht auf den Gesichtserker, welcher seitdem nicht mehr gesehen ward. Die
Herrschaften waren keineswegs über ihr eigenes Gewaltpotenzial geschockt, sondern setzten die
Dekonstruktion ihrer Körper mehr oder weniger munter fort. Meine schöne Rohrzange triefte vor Blut (wie
sollte ich sie je wieder sauber kriegen?), als Dr. Zahn weiterhin Rezrüws Kopf bearbeitete, und Mumpitz
war es gelungen, mit meiner Machete, die im Keller stationiert war, mehrere von Humbugs Gliedmaßen
abzutrennen.
Von der menschlichen Natur im Allgemeinen und meiner krankhaften im Besonderen abgestoßen floh ich
weitere heftigere Alpträume befürchtend und nahm den Namen Peter Amalgam an. Die Bullen waren mir auf
den Fersen, denn meine Tat war erstens nicht gerade moralisch in vollem Maße vertretbar, auch wenn ich
bestimmt ein paar Sympathisanten finden würde, wenn ich nur wollte, was ich aber nicht unbedingt möchte,
und zweitens führte sie mit uneingeschränkter Sicherheit, falls man sich überhaupt irgendeiner Sache
sicher sein kann (außer dem Tod), zu nicht unerheblichen Defiziten im Gesundheitswesen, wenn jene
Quacksalber, die ich auf abstruse Weise ins Jenseits befördert hatte, überhaupt mit ihren Kompetenzen
zur Verbesserung des Gesundheitswesens beigetragen haben, was ernsthaft zu bezweifeln ist. There falls
me nothing more in.
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